Testbericht: Ducati Desmo450 MX – Der erste Offroad-Schritt mit Vollgas
Einleitung
Als Ducati das Projekt Desmo450 MX ankündigte, war die Überraschung in der Motorradwelt gross – ebenso die Erwartungen. Von Anfang an wurde klar: Ducati will es ernst wissen. Mit im Boot: keine Geringeren als Antonio Cairoli, neunfacher Weltmeister, als Markenbotschafter, sowie Antoine Meo (fünffacher Weltmeister) und Alessandro Lupino, ein erfahrener Testfahrer mit scharfem Blick fürs Detail.
Für die nötige Struktur im Racing-Bereich holte Ducati zudem einen prominenten Namen an die Spitze: Paolo Ciabatti, langjähriger MotoGP-Mann, der genau weiss, was es braucht, um auf höchstem Niveau erfolgreich zu sein.
Mit dem Einstieg in die MXGP-Weltmeisterschaft sicherte sich Ducati zudem die Dienste unseres Landsmanns Jeremy Seewer – ein klares Zeichen, dass man die Sache mit der Desmo450 MX nicht halbherzig, sondern mit höchstem Anspruch angeht.
Blick hinter die Kulissen
Für den weltweiten Presse-Launch lud Ducati Journalist:innen aus aller Welt nach Bologna ein. Aufgrund des gestaffelten Testplans unterlagen wir einem Embargo – alle sollten die gleichen Chancen haben, ihre Eindrücke zu teilen.
Im Ducati-Werk bekamen wir exklusiven Einblick in die neu gegründete Offroad-Abteilung. Ducati entschied sich bewusst dagegen, die Desmo450 MX innerhalb der üblichen Straßenmotorrad-Entwicklung entstehen zu lassen. Zu unterschiedlich seien die Anforderungen im Offroad-Bereich – und zu wichtig sei dieses Projekt.
Stattdessen wurde eine eigene Entwicklungszelle gegründet – mit frischer Denkweise, neuen Leuten und einer klaren Mission. Ducati gab offen zu, dass sie zu Beginn auf Reverse Engineering setzten: Man analysierte die Konkurrenz im Detail, erkannte deren Stärken – aber auch Verbesserungsmöglichkeiten. Einige dieser Punkte, die Ducati intern als Schwachstellen definierte, wurden bereits im Folgejahr von der Konkurrenz überarbeitet – ein Beweis dafür, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Von Beginn an war klar: Die Desmo450 MX muss leicht, leistungsstark und kompromisslos auf Performance getrimmt sein. Ducati wollte Technologie aus der MotoGP-Welt adaptieren – unter anderem das Desmodromik-System –, und baute deshalb konsequent auf einen Aluminiumrahmen. Ein Stahlrahmen hätte das angestrebte Ansaugsystem nicht zugelassen.
Das Chassis – bestehend aus Rahmen, Schwinge und Umlenkung – besteht aus nur elf Bauteilen, was die Anzahl an Schweissnähten reduziert. Das Ergebnis: ein direktes, präzises Fahrgefühl mit spürbarer Steifigkeit und gleichzeitig optimaler Rückmeldung.
Wie auf der Straße gilt auch im Dreck: Ducati verkauft, was sie fährt – und sie fährt, was sie verkauft.
Testtag in Faenza
Am nächsten Morgen ging es zur Teststrecke in Faenza, einer Anlage von Ex-Werksfahrer Andrea Dovizioso. Der Weg dorthin war bereits ein Statement: Anstatt in einem Shuttlebus reisten wir – stilecht – in einem Lamborghini Urus, zur Verfügung gestellt vom Ducati-Verwandten aus Sant’Agata. Italienische Leidenschaft, wie sie leibt und lebt.
Für jeden Journalisten stand ein eigenes Motorrad zur Verfügung. Das bedeutete: keine Kompromisse beim Setup, unlimitiertes Fahren und maximaler Fokus auf individuelle Eindrücke. Die Strecke war perfekt vorbereitet – griffiger Boden, schöne Spurrillen – also: Helm zu, Gas auf!
Fahreindruck
Erster Eindruck: Die Desmo450 MX wirkt sofort handlich, spielerisch und präzise. Wer mutig die Bremsen offenlässt, spürt sofort, wie agil und leicht sich das Bike bewegt. Es vermittelt viel Feedback über den Lenker – fast mehr als gewohnt. Für feinfühlige Fahrer:innen ein Genuss, für andere eventuell gewöhnungsbedürftig.
Die Stabilität im Geradeauslauf ist hervorragend, das Einlenkverhalten präzise. Die Showa-Gabel spricht weich an, bietet aber guten Hold-Up – selbst beim Flachlanden kein Durchschlagen.
Das Heck hingegen bereitete mir anfangs mehr Mühe. Es wirkt sehr schmal und sensibel. Ich empfand die Feder im Showa-Stossdämpfer als zu weich. Mit weniger Durchhang (30 mm) und drei Klicks schnellerem Rebound wurde das Fahrverhalten deutlich angenehmer. Positiv fiel auf: Das Chassis reagiert klar auf Setup-Änderungen.
Durch die tiefer und weiter hinten positionierten Fussrasten wirkt das Fahrgefühl bodennah, aber gleichzeitig kontrolliert – besonders vorteilhaft für grössere Fahrer:innen, aber auch für kleinere kein Nachteil.
Motor und Elektronik
Der Motor: leichtfüssig, drehfreudig, animierend.
Er lädt dazu ein, aktiv zu fahren – was allerdings auch dazu führen kann, dass man zu aggressiv unterwegs ist. Trotz der sportlichen Auslegung lohnt sich ein sauberer, kontrollierter Fahrstil – der Speed kommt dann fast von allein.
Ducati setzt auf eine kleinere Kurbelwelle, was zu einem sehr agilen Kurvenverhalten führt: Das Bike bleibt beim Gaswegnehmen schön im Radius – kein lästiges Aufstellen. Das bedeutet weniger Drehmoment im unteren Bereich, aber das wird durch die Desmodromik und die hohe Drehfreude ausgeglichen.
Wer untertourig unterwegs ist, muss etwas mit der Kupplung nachhelfen. Wer mit Kurvenspeed fährt, spürt kaum Leistungseinbussen. Der Motor hängt direkt am Gas, setzt Leistung effizient um, fühlt sich eher wie ein 350er an – bringt aber die Power einer vollen 450er.
Elektronik – Hightech im Dreck
Hier hebt sich die Desmo450 MX deutlich von der Konkurrenz ab. Ducati bringt MotoGP-Know-how ins Gelände – und das spürt man.
Zwei Fahrmodi (Mappings) stehen zur Verfügung:
Grün: sehr sanft, eher für Anfänger:innen oder schwierige Bedingungen.
Rot: deutlich aggressiver – mein Favorit.
Die Motorbremse lässt sich in zwei Stufen verstellen – ich bevorzugte die mit weniger Bremsmoment.
Dazu kommen:
Quickshifter (funktioniert, braucht man aber nicht unbedingt),
Launch Control (effektiv, aber Geschmackssache),
und die überraschend gute Ducati Traction Control (DTC).
Letztere bietet vier Stufen – 1–2 ideal für sportliches Fahren, 3–4 helfen stark bei rutschigen Bedingungen. Die Regelung erfolgt präzise und mit Echtzeit-Analyse – keine störende Bevormundung, sondern echte Hilfe, wenn’s brenzlig wird.
Fazit
Die Ducati Desmo450 MX ist kein Me-too-Produkt – sie geht ihren eigenen Weg. Der Charakter ist eigenständig, aber sportlich stimmig. Wer ein Bike sucht, das technologische Raffinesse mit purer Fahrfreude kombiniert, wird hier fündig.
Ducati liefert nicht nur ein Motorrad, sondern ein Statement: Sie meinen es ernst. Kunden können das Bike ab Werk mit Factory Parts konfigurieren und bekommen es mit auf Fahrergewicht abgestimmten Federraten geliefert – ein Premium-Ansatz, wie man ihn sich wünscht.
Die Desmo450 MX ist ab Juli 2025 bei ausgewählten Ducati-Händlern erhältlich. Preis: CHF 11'790.–. Die erste Serie ist limitiert – wer Interesse hat, sollte nicht lange zögern.